Der Orgelbau im Italien der ersten Hälfte des 19. Jhdt. basierte in vielen Details auf den Erfahrungen und Übermittlungen der Meister der vorangegangenen Jahrhunderte. Dies zeigt sich beim nun wieder restaurierten Instrument des Orgelbaumuseums in allen Bereichen. Sicherlich wurden bestimmte Dinge den regionalen Gegebenheiten angepasst, aber das Grundprinzip der Konstruktion greift weiterhin auf Erfindungen zurück, die schon in der Renaissancezeit gemacht wurden.
Gebaut wurde das Instrument im Jahre 1843 von einem italienischen Orgelbauer, Vincenzo Ragone, von dem man nicht allzu viel weiß. Er war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Cava de’ Tirreni, Provinz Salerno, tätig. Die Stadt liegt in einem nordwestlich von Salerno gelegenen Tal, nahe der berühmten Amalfiküste.
Ende November 1980 ereignete sich in Süditalien ein schweres Erdbeben, das die Regionen Kampanien und Kalabrien erschüttert hatte. Auch in Cava de' Tirreni waren schwere Schäden zu beklagen. Viele Kirchen wurden zerstört und mit ihnen die Orgeln. Ein solches „Erdbebenopfer“ war auch diese Orgel. Leider lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen, aus welcher Kirche sie stammt. Die Geschichten um die Geschichte so mancher Instrumente dieser Gemeinden sind mittlerweile zu verworren, als dass man daraus hilfreiche Rückschlüsse über die ursprünglichen Standorte erhalten könnte.
Fakt ist, dass die Orgel Ragones in den neunziger Jahren des 20. Jhdt. auf dem deutschen Markt zum Verkauf angeboten wurde, KMD Jürgen-Peter Schindler diese erstand und sie, nach seinem Tod, durch seine Frau Irmingard Schindler an das Orgelbaumuseum verkauft wurde. Hier stand sie nun 22 Jahre und konnte zunächst nur teilweise restauriert werden. Damit die Orgel überhaut wieder aufgestellt werden konnte, musste erst einmal der tragende Sockel, der die Bälge beinhaltet, repariert werden. 2019 war dann auf Grund etlicher Spenden und Zuschüsse endlich genügend Geld in der Vereinskasse, woraufhin die Orgelbauwerkstätte Hoffmann & Schindler mit der aufwendigen Restaurierung begann.
Das Instrument hatte, auch auf Grund von Wassereinbruch in der zerstörten Kirche, gewaltig gelitten. Bei der Sichtung der z. T. in Schuhkartons gesammelten Teile, zeigte sich dann jedoch nach und nach, dass der originale Bestand sehr hoch war. Auch wenn es zunächst wie ein gewaltiges Puzzle wirkte, konnten alle Teile nach und nach zugeordnet und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Da die Orgel ja ein Museumsinstrument ist, legte man großen Wert auf eine museale, sprich möglichst originale Restaurierung und so besteht sie nun zu nahezu 95% aus ursprünglichen Teilen. Es wurde nur Unwiederbringliches erneuert, wie z.B. eine Pfeife im Prospekt, die auf Grund von starkem Zinkfraß nicht mehr teilrestauriert werden konnte.
Selbst die genagelte (!) Windlade konnte wieder gerichtet werden, so wie sie Vincenzo Ragone 1843 gebaut hatte. Die Holzpfeifen sind aus dem regional typischen Kastanienholz gebaut, waren auf Grund des Wasserschadens sehr marode, aber es ließ sich Kastanienholz auftreiben, wodurch der ihnen eigene Klang erhalten blieb. Die Verbindung von den Tasten zu den Ventilen wurde aus Metalldrähten gefertigt, was wohl daran liegt, dass besonders in Süditalien Holz ein eher weniger zur Verfügung stehender Rohstoff ist.
Nun lassen sich wieder 7 Register spielen, desweiteren gibt es einen Tutti-Zug und als Besonderheit ein Nachtigall genanntes Nebenregister, dessen drei Pfeifen mit ihren Mündungen, d. h. kopfüber, in ein Gefäß mit Wasser getaucht sind. Das Funktionsprinzip ähnelt dem einer Wasserflöte, imitiert den Klang von Vogelgezwitscher und wird durch das Öffnen eines kleinen Türchens links der Klaviatur aktiviert.
Datenblatt:
Standort: Orgelbaumuseum Schloss Hanstein, Ostheim v. d. Rhön
Erbauer: Vincenzo Ragone, Cava de’ Tirreni, Provinz Salerno, 1843
Außenmaße: h/b/t – 287/137/91,5 cm
Prospekt: 3 Felder, (7 / 5 / 7) Zinn, Principal 8´
Anzahl der Windladen: 1 mechanische Schleiflade
Trakturen: mechanisch, Wellenbretter und Registermechanik aus Metall (Eisen, Eisendraht, Messing)
Windanlage: original, 222 Keilbälge im Untergehäuse, (Schöpfanlage über Handhebel)
Winddruck: 68 mm WS
Tonhöhe: a = 44o Hz bei 15° C, Temperierung Mitteltönig
Anzahl der Register: 7 Register mit 289 Pfeifen (20 Holzpfeifen, 269 Metallpfeifen)
Tonumfang: 45 Töne, kurze Oktave C, D, E, F, G, A, B – c´´´
Disposition: Reihenfolge vom Prospekt aus gesehen)
1. Principal 8´ C – f Holz, fs – c´ Prospekt, Zinn, cs´ – c´´´ Innen, Blei
2. Voce Umana 8´ h – c´´´ Blei, Schwebung zu Principal 8´, 26 Töne
3. Ottava 4´ C – A Holz offen, B – c´´´ Blei
4. Flauto 3´ d – c´´´ Blei, 35 Töne, weite Mensur
5. Quntadecima 2´ C – c´´´ Blei
6. Decimanona 1 1/3´ C – c´´´ Blei
7. Vigesimaseconda 1´ C – c´´´ Blei
8. Repieno Tutti - Zug
Nebenzug: Nachtigall mit 3 Pfeifen
Betätigung durch Öffnen der kleinen Türe links neben der Klaviatur
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