Im 12. Jhdt., als Schreiben und Lesen noch überwiegend Mönchen und sehr gebildeten Menschen vorbehalten war, machte man sich viele Gedanken über die Natur, den Menschen und die Schöpfung im Allgemeinen. So auch Theophilus Presbyter, der 1125 als Mönch im Kloster Helmarshausen bei Karlshafen, nahe Kassel lebte. Ihn faszinierten vor allem die Handwerkskünste und das Geheimnis der Herstellung von Farbe, Metallbearbeitung und besonders auch die Musik. Bis ins Detail notierte er damals den Bau einer Orgel seiner Zeit. Daumenlänge, Fingerglieder, Handspanne, Elle und Schuh (Fuß), alles auch heute noch bekannte Maßeinheiten, findet man in seinen Aufzeichnungen. Für die Mensur der Pfeifen nennt er die Größe eines Wachteleies. So gelang es die Pfeifen nachzubauen und uns somit den Eintritt in die Klangwelt einer Orgel aus der Romanik zu ermöglichen. Gleichzeitig erklingen der 2., der 3. und der 4. Ton der Obertonreihe, also Grundton, Quinte und Oktave. Aus dieser Mischung ergibt sich für unser Ohr als akustisches Phänomen der 1. Grundton eine Otave tiefer. Folglich erklingen 4 Töne, obwohl nur 3 Pfeifen eingesetzt werden. Diese Kombination wird heute noch im Orgelbau beim sog. akustischen 32‘ verwendet (16‘ + 10 2/3‘ = 32‘). Noch mit Ventilschiebebrettchen, die Tasten wurden erst 100 Jahre später „erfunden“, wird der Wind von drei Schmiedebälgen in die drei gleichzeitig erklingenden Orgelpfeifen unterschiedlicher Größe geleitet. Die vorhandene Tonreihe hat nur 6 Töne und wird als Hexachord bezeichnet. Die für die romanische Zeit ideale Musik erklang einstimmig. Die Orgel unterstützt die Sänger mit einem Halteton, was dem einstimmigen gregorianischen Gesang sehr entgegen kommt. Selbst heute noch, nach über 1000 Jahren, ist diese Wirkung überzeugend und lässt erahnen, welche tiefgreifende Bedeutung Musik in der damaligen Zeit schon auf die Menschen hatte.
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